15 August 2008

über esel und karotten


eines der ältesten bilder für schinderei zeigt einen esel, vor dessen nase eine fette orangene karotte baumelt. diese baumelt perfiderweise an einem am karren befestigten stock. jedesmal, wenn der esel die karotte schnappen will, setzt er den karren in bewegung und  bewegt die karotte gleich mit. die legende nun sagt, (ich weiß nicht, ob esel auf dauer in diese falle reintappen) der esel wird derart von der karotte abgelenkt, daß er den karren und die darauf liegende last nicht merkt, die er die ganze zeit zieht. klingt einfach, fast so wie ein tierisches perpetuum mobile, man nehme: einen esel möglichst frisch, einen stock, möglichst lang, ein seil, möglichst dünn, eine karotte, möglichst fett, einen karren, möglichst alt und eine last, möglichst schwer. man befestige nun das seil an einem ende des stockes, das andere ende verkopple man mit dem wagen. am seil wird die karotte gebunden, ungefähr in der augen und maulhöhe des esels. der esel selbst wird vor dem karren gespannt, die last auf zweiterem drauf, karotte noch so austariert, daß der esel sie auf keinem fall erreichen kann, und los gehts! ho der wagen rollt. ja halt so lange, bis der arme esel nicht mehr kann.
nette tierfabel, mag sich so manch einer denken. ja ja, aber die spezies homo sapiens sapiens wartet mit vergleichbaren apparaturen auf. die karotte ist dann freilich keine karotte mehr, der karren wohl auch kein karren nicht. so leicht geht's nun doch wiederum nicht. eine möglichkeit die geschichte in die sphäre der humanitas zu transferieren, zeigt das coverbild der ersten nirvanascheibe. einen an der angel hängenden dollarschein, dem ein schwimmendes kind zu fangen versucht. das trifft die sache schon eher. die angloamerikaner pflegen dieses bild mit der sentenz "money makes the world go round"  zu verdichten. ich denke, das greift zu kurz: geld allein bewegt zwar, aber noch nicht genug. die methode ist noch um einiges diffiziler, aber die prinzipien sind hier erkennbar.
max weber zitiert in seiner schrift "die geburt des kapitalismus im geist des protestantismus" benjamin franklin, den erfinder des blitzableiters. dieser meinte sinngemäß, wer eine zeit nicht arbeitet, erleide nicht nur dadurch einen finanziellen verlust, weil er in dieser zeit geld ausgeben, nein, der verlust sei noch viel größer, da der nichtarbeitende auch den entgangenen gewinn als verlust einrechnen müsse. er hätte ja arbeiten und damit verdienen können. was nun ist das großes faszinosum von geld, mal abgesehen von der tatsache, daß man sich damit ziemlich viele alltägliche problem wie miete, strom gas etc, vom hals schafft. der entscheidende punkt liegt in der scheinbaren objektivierbarkeit von an sich nicht allgemein einsichtigen leistungen: die der zeitgenössischen arbeit. wer kann denn vergleichen wieviel ein repariertes abflußrohr wert ist, wieviel eine zeile in einer zeitung. vermittels des erhaltenen geldes werden diese verschiedenen arbeiten auf einen gemeinsamen numerischen nenner gebracht. wieviel hat man dafür bekommen! daraus läßt sich dann ganz einfach eine rangordnung erstellen, neudeutsch auch ranking genannt, in die schwups-diwups jeder eingeordnet wird. 
damit nicht genug, der einteilungswahn produziert noch ganz andere blüten. der sport quillt schier über mit rangordungen, tabellen und vergleichszahlen, nicht nur schlußzeiten und ergebnisse werden erzählt und kategorisiert, mittlerweile werden im fußball laufwegstrecken einzelner spieler erfaßt, verhältnisse zwischen gelungene und mißlungene pässe, zweikämpfe und ähnliches mehr ermittelt. diese lassen sich recht einfach, die moderne informationsmaschinerie machts möglich, in tabellen eintragen und ranglisten erstellen. derartige hilfsmittel dienen fußballvereinsscouts dann als einkaufszettel neuer spieler für den verein. die zahlen schaffen harte, glasklare fakten zum sport.
der wahn hat längst auf den breitensport übergegriffen, so weit das auge reicht, allüberall hecheln piepsende, in funktionskleidung gesteckte läufer herum, mit hektischem blick auf den armbandpulsmesser, ob man ja in der idealzone gerade trainiert. stimmt die zahl, stimmt der spaß, oder? fahrradtachos werten längst nicht bloß banale zustände wie aktuelle geschwindigkeiten aus, nein, nein da gibt es kurbelumdrehungen, höhen-, puls-, geschwindigkeits-, und sonst noch allerlei -messung. grad daß die dinger nicht noch am schluß die fahrradwäsche selbsttätig waschen. auch hier gilt, je höher desto spaß. die lust am sport ist somit direkt proportional zu irgendein festzusetzenden meßwert, der das nächste mal gesteigert werden muß. es erübrigt sich fast dazu zusagen, daß die meßwerte natürlich auf dem heimcomputer übertragen werden und im internet mit andern verglichen, ja eingeordnet werden können. der spaß scheint nur dann erlaubt zu sein, wenn er direkt mit irgend einer zu definierenden leistung verbunden ist. nur einfach so radfahren, schwimmen, laufen, so zum spaß, geht nicht.
die rankings lassen sich nur weiter ausführen, da gibt es in diversen gazzetten die 100 reichsten staaatsbürger, die 100 bestangezogenen, die 100 sexysten (seltsames wort!) hauptsache es gibt eine rangordnung, dann kennt sich jeder aus.
die wichtigste aller rangordnungen sit die der öffentlichen aufmerksamkeit. millionen menschen buhlen um ein quentchen öffentlichkeit. als hätte der tschechische künstler andy warhol mit seiner diktion "jeder kann für 15min ein star sein" diese entwicklung vorausgesehen, heute hat sich etwas verändert, es gilt "jeder will ein star sein". natürlich wird diese währung peinlich genau gemessen und protokolliert, im internet gelten klickraten der eigenen seite als goldene grahle, je höher diese desto mehr selbst wird der autor respektive besitzer. der erstaunliche wahn zum exhibitionismus im netz, der schlichtweg vor gar nichts halt macht, ist nur unter diesem aspekt zu verstehen. schau her hier bin ich, seht alle, alle her, erst dann bin ich's wirklich. 
es gibt keine noch so dämliche fernsehsendung, in welcher die protagonisten im besten falle zum affen gemacht werden, die an mangelnden teilnehmern leidet, natürlich unter der voraussetzung, die sendung ist bekannt und hat eine beträchtliche breitenwirksamkeit. das um aufmerksamkeit heischende volk rennt den castings (so heißen die neuerdings) -tanten und -typen die türen ein. alles nur um gesehen zu werden und möglichst auch in einer printgazzette in irgend einem ranking dann vorkommen. 
damit werden die rankings, die reihenfolgen zu perfekten karotten, welche das p.t. volk dinge tun läßt, die sie wohl freiwillig niemals auch nur denken würden. sie arbeiten bis zum umfallen, keuchen und kotzen sich diverse berge hinauf, lassen sich televisionär bis zur schamgrenze vereiern, ja verkaufen sogar, wenns sein muß ihre großmutter, nur weil permanent eine  virtuelle zahl in einem virtuellen ranging vor ihren augen herumtanzt. esel zieh!

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

sono con te, grosso modo. die rätselhafte natur des menschen will es aber, dass dennoch fragen auftauchen. warum ist das ranking die karotte des menschen? und wer ist der hinterlistige profiteur, wenn der mensch der esel ist?

franzjosef hat gesagt…

das ist natürlich eine gute frage. macht ihn dingsfest, diesen karottenaufknüpfenden unbekannten, das phantom, das sich auf so manch einem kutschbock herumtreibt.

mich verfolgt so ein seltsames bild, da mich nicht wieder los läößt. ja was, wenn auf dem kutschbock wiederum ein esel sitzt, dem, du ahnst es schon, ja dem selbst eine karotte vor dem maul hängt. auf dessen kuschbock wiederum sitzt ein esel, der ... und so fort.

und wer begann dieses surrealistische treiben. ich weiß es nicht, möglicherweise ein esel.

hexe2509 hat gesagt…

Hallo zusammen...Hoffe Ihr könnt mir helfen. Suche dringend eben diese Bild mit dem Esel,dem Karren und der Karotte. Brauche es als Vorlage um einem Bekannten eine Freude zu machen. Wißt ihr wo es zu finden ist.Schnelle Hilfe wäre toll. Danke