25 April 2008

über aus-stellung

"ein männlein steht im walde, ganz still und stumm, es hat aus lauter purpur ein mändlein um.", so berichtet ein altes kinderlied aus anscheinend fernen tagen. es erzählt von einen männlein das da still und stumm im walde steht und nur mit einem purpurenen mantel bekleidet ist. ein pilz, genauer ein fliegenpilz wird hier protagonist eines liedes.
das ist heute viel zu fad, was: alleine, wie: stumm, wo: nur im wald, nein damit kann man keinen blumentopf mehr gewinnen. in unserer kultur, in der die wichtigste währung die aufmerksamkeit und die auftrittsminuten im fernsehen sind ist so ein lied schon fast ketzerisch. wollen wir es also dem zeitgeist entsprechend umformulieren.
"ein männlein steht im kunsthaus ganz laut und dumm. es hat aus lauter gar nichts ein nacktkleid um. sag was mag das männlein sein, das da steht im kunsthaus rein". die momentan allseits beliebte  kunstform der performance begegnet den p.t. kunstbesucher derzeit auf schritt und tritt. merkmale dieser neuen schaffenskraft sind ein oder mehrere protagonisten, die mit mehr oder weniger (meistens weniger) kostümen, sich verzweifelt daran abrackern, das p.t publikum zu schockieren. flankiert werden die darsteller, (die eigentlich keine darsteller sein wollen, sondern eben künstler) von kameras, welche das geschehen hautnah verfolgen und direkt auf eine leinwand hinter oder neben den künstlern projizieren.  das geschehen wird hier praktisch gedoppelt durch den auftritt der figur und dessen abbild auf der leinwand. so weit so fad. warum aber fad. nun, das hängt wohl mit der sinnleere des dargestellten zusammen, man kann sich oft des eindruckes nicht erwehren, der sinn der vorstellung liege in der präsenz des künstlers im öffentlichen raum. und nur das, d.h. eigetlich will der/die künstler nur auf einen bühnenähnlichen raum und suche verzweifelt nach einen vorwand, der ihm/ihr das ermöglicht.
ich kann dieserr vorgehensweise keinen vorwurf machen, die vorbilder für ein derartiges vorgehen finden sich zuhauf. ich denke da an die unsäglichen riesigen plakatwände, die irgend einen billigen und meistens blöden vorwand suchen, in riesigen lettern den firmennamen und das produkt in den öffentlichen raum zu pressen. ich habe mich schon mal an anderer Stelle über dieses phänomen ausgelassen. die penetrante präsenz von nichtssagenden sog. skandalnudeln im öffentlich rechtlichen und privaten fernsehen tut ihr  übriges. da sitzen menschen "mit schicksalen", laut  eigendefinition der jeweiligen sender und lassen der mehr oder weniger interessierten öffentlichkeit an diesem schicksal teilhaben. so als eine art öffentliche psychotherapie. diese werden dann an andere stationen und sender weitergereicht und erlangen, und um das geht es ja, einen gewissen bekanntheitsgrad.
nicht die wichtigkeit oder brisanz der aussage steht im vordergrund, sondern allein die aus-stellung des eigenen seins, eigentlich der eigenen unzulänglichkeit. ich habe auch nicht mehr zu sagen als ihr, seht her, ich bin einer von euch. das heißt, jeder der zuschauer könnte jederzeit den platz vom zuschauenden mit jenem des zugeschauten wechseln. somit ist das geschäft der öffentlichkeit demokratischer geworden. bewundert wird, wenn überhaupt noch irgendetwas, die courage, dort zu stehen und die aufmerksamkeit auf sich zu kumulieren. 
die p.t. kunst- und kulturschaffen mögen sich des alten kinderliedes entsinnen und ein resümmee ziehen: wer nichts zu sagen haben sollte, der möge doch, im interesse von allen, schweigen. aus anstand.

16 April 2008

über glatzen


"il lupo perde il pelo, ma non il vizio" weiß ein italienisches sprichwort, will meinen: eine katze läßt das mausen nicht. wörtlich übersetzt heißt das sprichwort: "der wolf verliert zwar sein fell, nicht aber seine untugend".
der neuen ministerpräsident jenes landes, dessen provenienz das obige ist, dieser nun ist so ein fellverlierender wolf. um sein verbleibendes fell, ähm entschudigung, haarkranz  war natürlich gemeint, zu retten, hat er sich schon transplantationen selbiger unterzogen und dies auch freimütig öffentlich eingestanden.  über dieses (f)akt ist bereits reichlich diskutiert worden, und soll daher an dieser stellen nicht weiter ausgeführt werden. 
viel interessanter aber gestaltet sich die frage nach den "vizi", den untugenden, die ja in reichlicher zahl zu finden sind. erinnert sich der deutsche sozialdemokrat und damalige parlamentssprecher des eu-parlaments schmidt an einen der typischen berlusconianischen witze? er schlug diesem vor, ihn für die besetzung einer filmrolle, jener des capo eines konzentrationslager, zu berücksichtigen. oder kennt noch wer den mussolinigruß neben den faschistendenkmal "siegelsplatz", mit dem er anläßlich eines besuches  in bozen seine gesinnungsfreunde dort begrüßte, ein witz, wie er späte beteuerte. nur eine person hat es bisher geschafft, den wollverlierenden wolf zu einer öffentlichen entschuldiung zu zwingen. seine eigene frau! sie warf ihm in einem öffentlichen brief an die linksliberale römische zeitung vor, ihre ehre als ehefrau diskreditiert zu haben,  weil er einer blonden statistin in einem tv-studio angeboten hätte, diese zu heiraten und mit auf eine einsame insel zu nehmen. er hat sich entschuldigt, ebenfalls in einem offen brief, öffentlich abgedruckt. nicht die tatsache, daß da öffentlich persönliche schmutzwäsche des berlusconianischen ehelebens gewaschen wird hat beeindruckt, sondern die tatsache: seinen ehefrau war bis dato die einzige, die dem wölflein ein eingeständnis abgerungen hat: seine witze gehen prinzipiell immer auf kosten von anderen. und dieser andere hat das recht, wenn nicht die pflicht, sich zu wehren und den angreifer, den solche üblen witze sind immer auch gleichzeitig ein angriff, in dessen schranken zu weisen. nur geschieht dies halt selten.
und nun gibt sich silvio am morgen nach geschlagener wahl geläutert, das wölflein scheint kreide gefressen und den schwanz eingezogen zu haben: "ich werde ein anderer ministerpräsident sein als 2001" raunt er seinen geislein zu, "ich werde die probleme des landes lösen". ja, fehlt nur noch, daß er dem p.t. wahlvolk eine manikürierte hand reicht, um seines wölfische prinzip zu kaschieren. im gegensatz zum anklingenden märchen wird er wohl kaum das p.t. wahlvolk verschlingen, da überschätzt man seine verdauung doch beträchtlich. aber er wird weiterhin das land als ein ureigenstes interessengebiet ansehen, italien als erweitertes fininvest-projekt sozusagen. desgleichen wird er seine person und seine kaufmännischen interessen vor der ungebetenen jurisprudenz durchaus zu schützen wissen, all jene verfahren, die noch gegen seine person und seine gefolgsleute anhängig sind, (und das sind noch einige) werden in den nächsten wochen auf ganz überaschende weise gütlich beigelegt werden. (verjährung oder sonst was, es wird der neuen regierung schon was kreatives einfallen, um die verfahren zu stoppen). genau so, wie er es die beiden vorangegangenen amtsperioden auch gemacht hat.
warum sollte er auch anders handeln, um in den geschichtsbüchern lobend erwähnt zu werden?ach was, dieser mann hat ein imperium aufgebaut, glaubt irgendwer auf dem planeten, daß dieser sein imperium, das nun in den händen seiner kinder ruht, daß dieser ebendieses riskiert,  um des guten rufes willens. "ist der ruf denn ruiniert, lebt es sich recht ungeniert", wie ein weiteres sprichwort zu sagen pflegt. warum sollte ein 71 jähriger mann plötzlich vollkommen entgegen seinen bisherigen prämissen handeln, weil er es nur vor laufender kamera verspricht. glaube das wer will, die fakten sprechene einen andere sprache.
dem wölflein werden wohl keine neuen haare wachsen, das fell wird wohl dünner werden, sein "vizio", seine absichten, hat der mann deswegen noch lange nicht geändert.

15 April 2008

über ausgänge und auswege

es gibt gebäude, vorzugsweises viele neubauten - also gebäude neuesten datums, da fällt der eintritt in das mehr oder weniger große haus leicht, einladend große tore, die sich noch dazu automatisch öffnen. aber, den ausgang vermag man partout nicht zu finden. so z.b. das neue spitalsgebäude in innsbruck. man irrt also zwischen beton und glas herum, glotzt durch die riesigen durchsichtigen fronten, vermag das ziel - die außenwelt gut auszumachen, allein, glas ist hart. man entdeckt immer neue wege und gänge und fragt sich verwundert, ob man doch irrtümlich sich in einer mittelalterlichen stadt wiederfindet. nicht immer, wo man leicht hineinkommt, kommt man auch wieder leicht heraus. ich bin versucht, die behauptung aufzustellen, es hat was gesetzmäsiges, überall wo man leicht eintritt, fällt der rückzug besonders schwer.
das gilt nicht nur für physische gebäude, sondern auch und vor allem für politische entscheidungen. nun hat das p.t. wahlvolk, allesamt ausgezeichnet mit einem italienischen paß, entschieden. und wie! sie hat hrem rattenfänger zum dritten(!) mal eine satte mehrheit verpaßt, er mag nun, da er sich am morgen nach der wahl geläutert gibt: "ich werde nicht der ministerpräsident sein, der ich während der letzten amtszeit war." naja, geht ja auch schlecht, viel zeit ist dazwischen vergangen, er ist um einiges älter geworden und  die politische landschaft hat sich auch geändert. aber, es gebietet die höflichkeit, (welche der gewählte herr nur in ausnahmefällen kennt), diese ansage vorderhand ernst zu nehmen. was ändert sich also, scheinbar nichts. die regierungskoalition ist dieselbe wie während seiner letzten regierungsperiode. seine eigene partei (oder doch firma?) regiert nun mit den zentristisch eingestellten neo(wandel)faschisten, (deren spitzenpolitiker fini eine der erstaunlichsten wandlungen vollzogen hat) und der separatistischen lega nord. diese hat, man höre und staune, ihr wählervotum im vergleich zur letzten wahl, verdoppelt. und das, obwohl ihre spitze, aufgrund eines hirnschlages, für lange zeit im wahrsten sinn k.o. lag und überdies kaum in den öffentlichen medien in erscheinung trat. aber der norden, vor allem die regionen lombardei und venezien, scheinen ein undefinierte angst in ihrem nacken zu spüren, die sie bewogen, für ihren eifrigsten rächer und kämpfer zu votieren. dagegen steht die alleanza nazionale, für die eine jegliche form von separatismus oder auch nur regionalismus ein rotes tuch ist. der süden fürchtet sich abgeschnitten von der staatlichen autorität und seinen vollzugorganen, namentlich judiskative und exekutive, wohl auch vom finanzstrom, falls auch nur das böse a- wort, autonomie und r- wort regionalismus in den mund genommen wird.
und so wird die regierung weiterwursteln wie bisher, da ein reförmchen, dort eine gesetzesänderung. der paragrafendschungel, wo der wildwuchs fröhliche urständ feiert, wird wohl kaum eine machete und motorsäge zu sehen bekommen.
der ausweg aus dieser sackgasse wir wohl ähnlich schwierig sein, wie aus so manch einem modernen gebäude. genaugenommen wahrscheinlich schwieriger, möchte ich vermuten. da muß die herrschende kaste und auch das p.t. pubblico auf liebgewonnene privilegien und vorteile verzichten und wieder einmal eine ganz neue tugend an den tag legen, die heutzutage fast schon vergessen zu sein scheint: rücksicht auf das allgemeinwohl. also abkehr von dem allseits propagiertem egoismus. sonst bleibt nur ein ausgang, den über die staatsgrenze.

14 April 2008

über "schon wieder waalen"

also was jetzt, der souverän hat seine meinung nicht richtig kund getan, er möge doch bitte sehr noch einmal sprechen? nach nur zwei jahren versucht italien also erneut wieder eine stabile, klingt fast wie ein hohn, mehrheit in parlament und senat zu finden. man ist versucht, genervt und angewidert ihnen den rücken zu kehren, mögen sie doch suchen, sie werden keine finden, weil es die stabilität in dem land schlichtweg nicht gibt. aber so einfach ist es leider auch nicht.
das brechtsche diktum, "und wenn die mächtigen mit den untertanen nicht zufrieden sind, dann mögen sie sich doch ein neues volk wählen" ist hier so aktuell wie selten. bloß entstammen die sogenannten mächtigen halt auch aus dem selben volk, will heißen, sind aus dem selben holz geschnitzt. und gleich wie landsmännische holzfigur, der zum unterschied zu den ersteren bei groben lügen die nase wächst, erwachen beide zu leben, und werden sehr umtriebig. man verspricht, ja das blaue vom himmel oder das azzurro von ebendort, wer es poetischer mag, man gibt sich betont leger, feixt, erzählt dem versammelten p.t. pubblico tumbe witze, und verhält sich insgesamt ganz normal korrupt, so als wäre es das normalste der welt, gegendienste für seinen beruf zu verlangen. schon eigenartig.
willkommen also in einem land, das den ausnahmezustand zum normalzustand erklärt hat. das sich schlachtfeste in fußballstadien erlaubt, deren schlachtenbummler ihren namen noch gerecht werden, das steuern fast notorisch prinzipiell im nachhineine zum ermäßigten tarif via straferlasse zahlt, das sich von einem schmarotzerischen substaatlichen gebilde, die mafia in all ihren ausprägungen, nicht und gar nicht lösen kann. dessen kritische intellektuelle stimmen (gibt es diese überhaupt noch?) nicht über den brenner herüberhallen.
was soll man da bloß machen, fragt man sich ob der fragen verzweifelt. klar, man muß was tun, bloß was? die deutschen fastnachbarn bitten, das land einzunehmen, wie beppe grillo in einem aufruf, abgedruckt in der "zeit" gefordert hat, oder wie es eine verzweifelte wählerin in sizilien formuliert hat: man muß italien unter die oberhoheit der eu stellen. 
soll man tatsächlich dem land die nationalstaatliche souverentität nehmen? das ist allerdings starker tobak für die machistischen tendenzen des landes. betrachtetman die politische sache und die geschichte des landes näher, erschließt sich sehr rasch, das sie nation italiens eine ziemliche fiktion des 19. jh. ist, die genaugenommen noch immer nicht wirksam wurde. zu beginn des 19. jh. war das land noch tief gespalten, zwischen habsburgerischen territorialansprüchen im norden (venedig und mailand), kirchenstaat und bourbonen im süden. binnen weniger jahren wurde das land geeint und federführung des piemontesischen königreiches. aber, auch heute noch legen die einwohner der jeweiligen städte, wie mailand, venedig, rom, palermo etc. die patronanz ihrer unmittelbaren herkunft zu sein, und erst in zweiter, wenn nicht gar in dritter hinsicht italiener zu sein. der staat ist weit weg, nicht nur in den köpfen des "meridione" des südens, auch in jenes der nördlichen länder. daher ist es auch verständlich, wenn es als kavaliersdelikt gilt, den staat als solchen zu betrügen, vermutet man doch selbiges auch von diesem. um die starken zentrifugalkräfte, die seit anbeginn der einigung italiens herrschten einigermaßen zu unterdrücken, verordnete sich das land einen mächtigen zentralstaat, mit einem absurden auswuchs an bürokratie. so dauerte die erstellung eines passes, der selbstverständlich in rom erlassen  wurde, egal wo der antragsteller seinen wohnsitz hatte, ob am brenner oder in sirakusa in sizilien, durchaus ein halbes jahr. das nur ein willkürliches beispiel. mit einer hamme speck ließ sich dieser vorgang entscheidend beschleunigen. 
die medizin, die dem kranken mann italiens verschrieben werden muß wird äußerst bitter und langwierig. sie heißt, eintritt in die europäische normalität, ausweitung der selbsverwaltung der kommunen und vor allem, die bewohner sind aufgerufen, ihre staatsbürgerlichen pflichten ernst zu nehmen.