20 August 2008

über den verlust des politischen

der slogan: "die neue wahl", nebst riesenkonterfei des spitzenkandidaten prangt zur zeit von allen plakatwänden dieser stadt. überboten wird dieser politische nonsens nur noch von einem satz, der aus der mottenkiste der politischen wahlkampf (un)kultur stammt. "sie sind gegen ihn, weil er für euch ist." in dieser tonart spielt die musik weiter, wer an weiteren stilblüten dieser wahlauseinandersetzung interessiert ist, möge sich auf die suche machen. 
in bälde starten die televisiven konfrontationen, zuerst in form von duellen, wobei diesen wahrscheinlich nur noch die eindringliche musik von den western "high noon", oder "spiel mir das lied vom tod" fehlt. ihren dramatugischen höhepunkt finden sich diese schaudarstellung politischer perfomancekunst dann im gladiatorenkampf politscher inszenierung, der sogenannten elephantenrunde, in der die spitzenkandidaten aller parteien aufeinandertreffen. alle nebensächlichkeiten werden dabei mitbedacht: kleidung, schminke, temperatur im sendesaal, ja einst hat im zuge einer solchen auseinandersetzung der spitzenkandidat einer großpartei darauf bestanden, die stühle, auf den beiden zu sitzen kamen, selbst auszusuchen. unnötig zu erwähnen, welcher der beiden stühle eine höhere sitzposition hatte.
man trifft sich mit spindoktoren, (jenen eigenartigen zeitgenossen die vornehmlich wissen, was das gemeine volk will), mit rethorikexperten, mit sparringpartner, um die fernseh-auseinandersetzung zu üben. 
die ganze veranstaltung wahl, und im größeren kontext die polititische landschaft, bedient sich immer mehr den methoden und gesetzen der unterhaltungsbranche. da drängt sich ein verdacht auf. inwieweit unterscheidet sie sich noch von dieser. die politischen institutionen dienen, so die theorie dem volk. der name republik, sei es jetzt die österreichische oder italienische, deutsche, französische, alle diese staaten tragen republik in ihrem namen, meist an der prominenten ersten stelle. "res pubblica"  wird aus dem lateinischen übersetzt mit "sache des volkes". nun verstanden die lateiner zugegebermaßen unter volk freilich nicht das ganze volk, sondern nur jene männlichen exemplare, die das römische bürgerrecht trugen, dies war eine minderzahl. aber immerhin, deren sache war die staatsführung, zumindest eine zeitlang, bis zum ende der republik unter cäsar.
aus logistischen gründen wird auf eine direkte demokratie, (gesetzesentwürfe werden durch volksbescheid angenommen bzw. abgelehnt), in den meisten heutigen millionenstaaten verzichtet. das erweist sich in der umsetzung als wenig praktikabel, für jedes kleinere oder größere gesetz müßte man immer eine gesamtstaatliche abstimmung anberaumen. man fand daher zur parlamentarischen demokratie, in welcher verschiedene parteien verschiedene bevölkerungsgruppen vertreten sollten und über eine parlametarische abstimmung in die volksvertretung (parlament) gewählt werden. im prinzip funktioniert das heute in den allermeisten demokratien so, bloß daß die unterschiedlichen parteien immer weniger definierte bevölkerungsgruppen vertreten, sondern man operiert zusehens mit immer verwaschener werdenden programmen, die kaum auseinander zu halten sind. jede partei hat für sich die sogenannte mitte entdeckt, die weder definiert noch greifbar gemacht werden kann. wer repräsentiert die mitte, der fühlt sich als der mitte zugehörig? keine ahnung.
gleichzeitig wirken auf die politischen institutionen immer stärkere sogkräfte außerparlamentarische konglomerate, die diesen gehörig das gestaltungswasser abgraben. zu nennen in diesem zusammenhang sind natürlich die sich stets vergrößernden wirtschaftskomplexe, großkonzerne der industrie, die als ihre oberste maxime die steigerung ihres eigengewinns verfolgen. nationalregierungen reagieren auf deren forderungen meist ohnmächtig bis hilflos und gewähren wirtschaftshilfen, subventionen, steuererleichterungen ohne ende. die leiter und manager derart großer firmen haben stets das druckmittel im talon, man könne sich auch anderswo um einen firmenstandort umsehen, wo die gebotenen vorteile von seiten der politik diesem stammplatz überwiegen würden. ganz zu schweigen von dem zumindest us-amerikanischen usancen, in denen großkonzerne als finanzielle unterstützer von parteiwahlkämpfen auftreten. 
insofern sprechen die aktuellen slogans der politischen wahl, die bar jedes inhaltes nur noch befindlichkeiten zum ausdruck bringen, bände. das politische establishment hat kapituliert, es hat praktisch abgedankt. der dem politischen inhärente gestaltungswille ist nur noch in homöopatischen dosen erkennbar, man muß sich einer lupe bedienen um diese zu erkennen. der kapitale fehler, der zur zeit, man kann sagen, verbrochen wird, ist der verlust jeglicher perspektive und vision die zukunft betreffend. wer glaubt, durch unterlassung fehler zu vermeiden, sitzt einem schweren irrtum auf; man sollte zur kenntnis nehmen, daß auch nichtstun eine handlung, bzw. eine tat ist, die entstehende fehler nicht verhindert. die perspektivlosigkeit betrifft vor allem die jüngeren generationen. deren pensionen  und altersvorsorgen sind alles andere als gesichert, man kann auch von einem mittleren chaos in dieser sache sprechen. gar nicht erst thematisiert werden jene großen komplexe, deren wichtigkeit für die mittlere und fernere zukunft immer augenfälliger werden: migration und gesellschaftspyramide. in den europäischen staaten steigt der altersdurchschnitt rapide an, damit ergeben sich zwangsläufig neue probleme und herausforderungen. längst hat industrie und handel die generation der senioren als neue und gewinnbringende konsumentenschicht für sich entdeckt. was wunder, jene menschen, die heute eine pension beanspruchen können sich dank der modernen medizin und den geltenden arbeitsschutzgesetzen über eine hervorragende körperliche gesundheit erfreuen. dank der generösen pensionsregelungen der 70er jahre, in denen man die entwicklung freilich nicht antizipieren konnte, (drastisch steigende lebenserwartung, hoher gesundheitsstandart) verfügen sie über noch nie dagewesene materielle absicherung. mit fug und recht läßt sich sagen, dies sind eindeutig die vorteile der sozialpolitik der damaligen jahre. nur leider muß man auch hinzufügen, diese hohen allgemeinpensionen werden sich, wenn die entwicklung so weitergeht wie bisher, nicht wiederholbar sein. 
die migration ist ein faktum, daran ist nicht zu rütteln. menschen werden stets von wirtschaftlich ärmeren zu reicheren ländern strömen, in der hoffnung die individuelle lebensperspektive zu verbesseern. das ist eine grundkonstante des menschlichen seins, die auswanderer aus europa in die heutige usa sei hier nur als exempel erwähnt. zu allen zeiten der geschichte finden sich entsprechende beispiele. zwangsläufig kommt es bei derartigen bewegungen zu reibungsflächen und zu problemen. gleichzeitig werden die arbeitskräfte von den industriestaaten aber dringend gebraucht, da sie arbeitsleistungen erbringen, welche die autochtonen (naja, so autochton sind die meisten bewohner aller länder auch wieder nicht, siehe wiener telephonbuch!) bewohner nicht erbringen können oder wollen. da mit den menschen auch deren weltanschauungen und kulturellen gepflogenheiten mitreisen, die nicht selten diametral den gewohnheiten der örtlichen bevölkerung zuwiderlaufen, gilt es hier eine verbindliche rangordnung zu erstellen, welche die fälle, in denen rechte miteinander kollidieren, klar und eindeutig regelt. die verfassung wäre hier eine geeignete methode, um ein derartiges übergeordnetes grundgesetz zu gewährleisten. diese müßte au die heutigen und erwartbaren probleme der zukunft hin untersucht und gegebenfalls neu formuliert werden. 
ein weiterer kernpunkt, der hier erwähnt werden sollte, ist lebensraumsicherung. dazu gehört der schutz der umwelt, der maßvolle umgang mit den vorhandenen ressourcen und rohstoffen, von denen gerade das wasser eines der wichtigsten sind. 
politik ist definitionsgemäß gestaltung, sie hat die aufgabe rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer die handelnden gesellschaftsteilnehmer agieren können. dazu müssen maßnahmen getroffen werden, die manchmal auch für die eigene klientel schmerzhaft sein können. vor allem aber müssen vorschläge eingebracht, öffentlich auf ihr für und wider diskutiert werden und dann gegebenfalls umgesetzt werden. kasperliaden, unterhaltungspolitik und handlungsverweigerung taugen höchstenfalls als ablenkungsmanöver. leider offenbaren sich fehlleistunge der politik nicht sofort, sondern meist in späterer zukunft, wobei die verlockung fehler zu begehen, die kurzfristige vorteile bringen, langfrist aber massive probleme mit sich heranschleppen, naturgemäß sehr groß ist. die eingangs zitierten  schlagzeilen führen eindeutig in die falsche richtung. diese heißt ende der politik.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

über die rückgewinnung des privaten:

lieber vinzent, herrlichen und herzlichen glückwunsch zum fünfzehntägigen!

franzjosef hat gesagt…

danke,

ja tatsächlich, das private hat entscheidend an terrain zurückgewonnen.

ich kann mich nicht oft genug wiederholen. das leben ist ein wunder.