14 April 2008

über "schon wieder waalen"

also was jetzt, der souverän hat seine meinung nicht richtig kund getan, er möge doch bitte sehr noch einmal sprechen? nach nur zwei jahren versucht italien also erneut wieder eine stabile, klingt fast wie ein hohn, mehrheit in parlament und senat zu finden. man ist versucht, genervt und angewidert ihnen den rücken zu kehren, mögen sie doch suchen, sie werden keine finden, weil es die stabilität in dem land schlichtweg nicht gibt. aber so einfach ist es leider auch nicht.
das brechtsche diktum, "und wenn die mächtigen mit den untertanen nicht zufrieden sind, dann mögen sie sich doch ein neues volk wählen" ist hier so aktuell wie selten. bloß entstammen die sogenannten mächtigen halt auch aus dem selben volk, will heißen, sind aus dem selben holz geschnitzt. und gleich wie landsmännische holzfigur, der zum unterschied zu den ersteren bei groben lügen die nase wächst, erwachen beide zu leben, und werden sehr umtriebig. man verspricht, ja das blaue vom himmel oder das azzurro von ebendort, wer es poetischer mag, man gibt sich betont leger, feixt, erzählt dem versammelten p.t. pubblico tumbe witze, und verhält sich insgesamt ganz normal korrupt, so als wäre es das normalste der welt, gegendienste für seinen beruf zu verlangen. schon eigenartig.
willkommen also in einem land, das den ausnahmezustand zum normalzustand erklärt hat. das sich schlachtfeste in fußballstadien erlaubt, deren schlachtenbummler ihren namen noch gerecht werden, das steuern fast notorisch prinzipiell im nachhineine zum ermäßigten tarif via straferlasse zahlt, das sich von einem schmarotzerischen substaatlichen gebilde, die mafia in all ihren ausprägungen, nicht und gar nicht lösen kann. dessen kritische intellektuelle stimmen (gibt es diese überhaupt noch?) nicht über den brenner herüberhallen.
was soll man da bloß machen, fragt man sich ob der fragen verzweifelt. klar, man muß was tun, bloß was? die deutschen fastnachbarn bitten, das land einzunehmen, wie beppe grillo in einem aufruf, abgedruckt in der "zeit" gefordert hat, oder wie es eine verzweifelte wählerin in sizilien formuliert hat: man muß italien unter die oberhoheit der eu stellen. 
soll man tatsächlich dem land die nationalstaatliche souverentität nehmen? das ist allerdings starker tobak für die machistischen tendenzen des landes. betrachtetman die politische sache und die geschichte des landes näher, erschließt sich sehr rasch, das sie nation italiens eine ziemliche fiktion des 19. jh. ist, die genaugenommen noch immer nicht wirksam wurde. zu beginn des 19. jh. war das land noch tief gespalten, zwischen habsburgerischen territorialansprüchen im norden (venedig und mailand), kirchenstaat und bourbonen im süden. binnen weniger jahren wurde das land geeint und federführung des piemontesischen königreiches. aber, auch heute noch legen die einwohner der jeweiligen städte, wie mailand, venedig, rom, palermo etc. die patronanz ihrer unmittelbaren herkunft zu sein, und erst in zweiter, wenn nicht gar in dritter hinsicht italiener zu sein. der staat ist weit weg, nicht nur in den köpfen des "meridione" des südens, auch in jenes der nördlichen länder. daher ist es auch verständlich, wenn es als kavaliersdelikt gilt, den staat als solchen zu betrügen, vermutet man doch selbiges auch von diesem. um die starken zentrifugalkräfte, die seit anbeginn der einigung italiens herrschten einigermaßen zu unterdrücken, verordnete sich das land einen mächtigen zentralstaat, mit einem absurden auswuchs an bürokratie. so dauerte die erstellung eines passes, der selbstverständlich in rom erlassen  wurde, egal wo der antragsteller seinen wohnsitz hatte, ob am brenner oder in sirakusa in sizilien, durchaus ein halbes jahr. das nur ein willkürliches beispiel. mit einer hamme speck ließ sich dieser vorgang entscheidend beschleunigen. 
die medizin, die dem kranken mann italiens verschrieben werden muß wird äußerst bitter und langwierig. sie heißt, eintritt in die europäische normalität, ausweitung der selbsverwaltung der kommunen und vor allem, die bewohner sind aufgerufen, ihre staatsbürgerlichen pflichten ernst zu nehmen. 

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