30 Juli 2008

über populisten

populisten zeichnen sich in der eigenschaft aus, komplizierte sachverhalte einfach (und teils auch vereinfacht) darzustellen. diese fähigkeit ist an sich noch keine übel beleumundete eigenschaft. woher kommt also der etwas anrüchige ruf, der unweigerlich mit dem nomen populist verhaftet ist. tief im kern des wortes steckt die lateinische wurzel populus, wörtlich "das volk". wie es sich nun mit den casi und pronnome verhält, mögen sich kompetentere lateinisten und graezisten melden. 
ein populist spricht oder agiert zunächst einmal für das volk, so die definition. das ist doch gar nicht schlimm, im gegenteil, es ist sogar eine zwingende voraussetzung für einen politiker; schließlich gründet sich die demokratie und unsere sonderform die parlamentarische demokratie auf volksvertreter, die eben das volk, bzw. teile des volkes, im parlament vertreten. er muß seine reden und handlungen so verständlich wie möglich formulieren, damit er von einer breiten allgemeinheit verstanden werden kann. sonst würde sich auf dauer die kaste der politiker von ihrem wahlvolk abkapseln, und eine abgeschottete in sich zirkelnde gesellschaft bilden. dieser vorwurf zielt häufig auf die politischen institutionen italiens, deren mitglieder tatsächlich losgelöst von den realen gegebenheiten des landes zu agieren scheinen. 
populisten nun nützen dieses vakuum, das entsteht, wenn sich das wahlvolk von ihren vertretern nicht verstanden bzw. gehört fühlt. die methode, die derartige tribunen anwenden, folgt einem fast stehenden muster. der populist definiert einen äußeren feind, dem er die mißstände, die er in überbordender zahl findet und benennt, zuschreiben kann. damit schafft der er eine geschickte trennung zwischen den guten "wir", also ihm und seinen anhängern, und den bösen anderen, die da diese gefundenen feinde und deren gefolgsleute wären. wer nun chancen zum feind aufzusteigen hat, läßt sich nicht im vornherein definieren. es ist aber stets ein einzelner oder eine gruppe bzw. ein volk, das leicht von den anderen scheidbar und unterscheidbar ist, (beliebt ist hautfarbe, eindeutige religiöse bekenntnisse, oder divergierende kulturelle bezüge) und die in ihrer wie auch immer gearteten widerstandkraft gegen diese aus- und eingrenzung eingeschränkt ist. populisten verfahren nach dem manichäischen prinzip. es gibt eine eindeutig gute und eine eindeutig böse seite, und wer nicht für uns ist, qualifiziert sich sogleich als ein vertreter der anderen, der bösen. 
was gewinnt man mit dieser methode? auf der habenseite zu verbuchen ist ein größerer druck auf der anhängerseite. einerseits haben sie eindeutige leitbilder, befolgt werden können. das ist vor allem in zeiten in denen gesellschaftliche normen zusehens morsch zu werden drohen, eine erleichterung. andererseits schwebt jedem das damoklesschwert auschluß bei ungebührlichem verhalten, bei regel- oder normenverletzung über seinem kopf. wer nicht tut, was von ihm verlangt wird, diskrediert sich automatisch zum feind, mit all den sichtbaren konsequenzen. 
zum anderen vereinfacht sich die schuld- und mißerfolgsfrage in einem manichäisch geteilten weltbild entscheidend. kann ein versprechen, das vom volkstribun mit pauken und trompeten verheißen wurde, partout nicht eingehalten werden, dann, ja dann waren halt die feinde des systems schuld, die es wie durch ein wunder doch noch geschafft hatten, saboteure einzuschleusen und das vorhaben zum scheitern zu bringen. schnell werden ein paar unliebsame aus den eigenen reihen gefunden, sie meist zu unrecht der kollaboration mit dem feind beschuldigt und elegant entschärft, meist durch den scharfrichter. 
man mag jetzt einwenden, so funktioniere doch nur eine ausgewachsene diktatur. dieser einwand ist vorderhand richtig. die erwachsene form des dualismus findet sich meist in diktaturen, aber populisten bedienen sich den methoden schon viel früher, freilich nur in rhetorischer form, da ihnen das system zur umsetzung noch fehlt. im prinzip ist der unterschied zwischen verbaler unter-scheidung und der praktischen scheidung des volkes nur mehr ein gradueller, die fragen nach den zur verfügung stehenden mitteln.
ist die scheidung erfolgreich vollzogen, kommt das vereinfachungsprinzip zur anwendung. alle strittigen, komplexen und komplizierten erklärungsmodellen werden zuerst negiert, und später der obstruktionsabsicht verdächtigt. sie werden zugunsten einfacher modelle eingetauscht, die meist darauf beruhen, daß der erkannte feind die ursache des übel sei, und einfach ausgerottet (vertrieben, ausgewiesen, eingesperrt, nach belieben fortzusetzen) werden muß, dann wäre alles gut. 
natürlich ist auch danach nix gut, klar, wie sollte auch. der grundpfeiler der annahme war eine morsche lüge, und das darauf erbaute haus ist nachgerade zwangsläufig schief. aber solange man halt nicht genau hinsieht, steht das monument ja doch.
daher kommt also der schlechte ruf der populisten, die vielfach erprobte erkenntnis, daß ein vereinfachender, ausgrenzender und affektiert pöbelnder schreihals sich in sachen solider, stabiler und zukunftsweisender politarchitektur sich überhaupt nicht auskennt. man wundert sich in anbetracht der vielen immer noch stehenden römischen bauten, ob diese erkenntnis nicht schon die alten lateiner hatten und für schlecht planende baumeister ein vokabel erfanden: populist. du!

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